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Allgemeines

Nach deutschem Recht und deutscher Werteordnung beruht die Ehe auf der freien Willensentscheidung beider Ehepartner, sie ist somit Ausdruck der freien Entfaltung der Persönlichkeit, die durch Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz geschützt ist.

In manchen, patriarchalisch geprägten Familienstrukturen hingegen werden in erster Linie Mädchen und junge Frauen, aber auch junge Männer, gegen ihren Willen mit – zumeist fremden – Partnern verheiratet. Zwangsverheiratungen finden oftmals im Ausland, z. B. während eines Heimatferienurlaubs, zum Teil aber auch in Deutschland statt.

In Bayern bieten verschiedene Einrichtungen und Fachberatungsstellen Beratung und Zuflucht bei drohender Zwangsverheiratung.

Hohe Dunkelziffer von Zwangsverheiratungen

Die Abgrenzung zu einer arrangierten Ehe ist nicht immer einfach. Zudem liegen nach wie vor keine repräsentativen Daten zur genauen Zahl der betroffenen Personen vor. Die Untersuchung des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) „Lebenssituation, Sicherheit und Gesundheit von Frauen in Deutschland“ aus dem Jahr 2004 schätzt, dass mindestens etwa jede zehnte in Deutschland lebende Frau im Alter von 16 bis 85 Jahren mit türkischem Migrationshintergrund nicht aus eigenem freien Willen in die erste Ehe eingewilligt hat. Die Dunkelziffer von Zwangsverheiratungen wird von der Fachwelt als sehr hoch geschätzt.

Sich Hilfe von außen zu suchen verletzt die Familienehre. Daher wenden sich nur in wenigen Fällen Opfer oder Mitwisser an die Beratungsstellen  oder wagen gar eine Anzeige bei der Polizei. Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) hat deshalb die Studie „Zwangsverheiratungen in Deutschland – Anzahl und Analyse von Beratungsfällen“ durchführen lassen, in der erstmals bundesweit Erkenntnisse von Beratungseinrichtungen über Menschen, die von Zwangsverheiratung bedroht oder betroffen sind, erhoben und systematisch ausgewertet wurden. Auch diese Studie konnte aber keine abschließende Antwort auf die Frage nach der genauen Zahl der betroffenen Personen geben.

Das Bayerische Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration hat die Bundesstudie landesspezifisch auswerten lassen. Mit der Studie „Zwangsverheiratung – Situation in Bayern“ liegen seitdem auch für Bayern wichtige empirische Kenntnisse zum Phänomen der Zwangsverheiratung vor.

Hier finden Sie weiterführende Informationen zum Thema Zwangsverheiratung sowie Anlaufstellen:

Zuständigkeit des Sozialministeriums 

Der Themenbereich Zwangsverheiratung berührt innerhalb der Staatsregierung die Zuständigkeitsbereiche mehrerer Ressorts (Bayerisches Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales, Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus, Bayerisches Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration und Bayerisches Staatsministerium der Justiz). Diese Ressorts sind seit 2008 in der interministeriellen Arbeitsgruppe Zwangsverheiratung unter der Federführung des Bayerischen Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales vernetzt. Sie bietet eine Plattform, um sich über aktuelle Probleme auszutauschen und gemeinsam Lösungsstrategien zu entwickeln.

Integration

Wichtiger Baustein einer effektiven Prävention gegen Zwangsverheiratungen ist eine gelungene Integration. Es gilt, patriarchalische Familienstrukturen unter Mithilfe von Migrantenorganisationen aufzubrechen und durch eine echte Akzeptanz verfassungsgemäßer Grundwerte und ein demokratisches Verständnis von der Rolle der Frau in der Gesellschaft zu ersetzen.

Diesem Ziel dient auch das ursprünglich vom Bayerischen Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales und nun vom Bayerischen Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration geförderte Projekt HEROES. Sie finden es an drei Standorten:

Voraussetzungen für eine gültige Eheschließung

In Deutschland

Die Voraussetzungen für eine Eheschließung in Deutschland sind in § 1310 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) geregelt. Die Eheschließenden müssen das 18. Lebensjahr vollendet haben (§ 1303 BGB) und vor einem Standesbeamten oder einer Standesbeamtin erklären, dass sie miteinander die Ehe eingehen wollen. Ehen, bei denen einer der Eheschließenden im Zeitpunkt der Eheschließung das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte, sind unwirksam.

Eine Ehe ist durch richterliche Entscheidung aufhebbar, wenn einer der Eheschließenden im Zeitpunkt der Eheschließung das 16., aber noch nicht das 18. Lebensjahr vollendet hatte; von einer Aufhebung kann nur in besonderen Härtefällen sowie dann abgesehen werden, wenn der minderjährige Ehegatte zwischenzeitlich volljährig geworden ist und die Ehe bestätigt. Der Standesbeamte oder die Standesbeamtin muss die Eheschließung verweigern, wenn offenkundig ist, dass die Eheschließung nach § 1314 Abs. 2 BGB aufhebbar wäre. Diese Vorschrift nennt unter anderem den Aufhebungsgrund der widerrechtlichen Drohung zur Ehe (§ 1314 Abs. 2 Nr. 4 BGB). Wenn der Standesbeamte oder die Standesbeamtin also erkennt, dass ein Ehepartner mit einer widerrechtlichen Drohung zur Ehe genötigt wurde, darf er oder sie diese Ehe nicht schließen. In den allerwenigsten Fällen dürfte dem Standesbeamten oder der Standesbeamtin eine eventuelle Drohung bekannt werden. Die Eheschließung ist also zunächst auch dann gültig, wenn sie unter Zwang zustande gekommen ist. Neben der Möglichkeit einer Aufhebung der Ehe nach § 1314 Abs. 2 Nr. 4 BGB oder einem anderen Aufhebungsgrund im Sinne des § 1314 BGB kann die Ehe nur durch Ehescheidung nach den §§ 1564 ff. BGB beendet werden.

Eine religiöse oder traditionelle Handlung, die darauf gerichtet ist, eine der Ehe vergleichbare dauerhafte Bindung zweier Personen zu begründen, von denen eine das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, ist verboten und kann mit einer Geldbuße von bis zu 5.000 € geahndet werden. Das Gleiche gilt für den Abschluss eines Vertrags, der nach den traditionellen oder religiösen Vorstellungen der Partner an die Stelle der Eheschließung tritt.

Im Ausland

Eine Eheschließung, die in Deutschland lediglich vor einem Geistlichen einer Religionsgemeinschaft erklärt wird, hat keine zivilrechtliche Wirkung. Wenn eine im Ausland geschlossene Ehe nach der dortigen Rechtsordnung gültig ist, kann sie in Deutschland anerkannt werden.

Dies gilt nur dann nicht, wenn die Gesetze des Heimatlands mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar sind oder gegen Grundrechte verstoßen (Art. 6 Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch). Die Frage nach der Wirksamkeit der Eheschließung stellt sich bei den sogenannten Imam- oder Hoca-Ehen. Sie sind auch in der Türkei nur wirksam, wenn vorher eine zivilrechtlich gültige Eheschließung vollzogen wurde. Eine Ehe ist nach deutschem Recht jedenfalls unwirksam, wenn ein/e Eheschließende/r zum Zeitpunkt der Eheschließung das 16. Lebensjahr nicht vollendet hatte und aufhebbar, wenn ein/e Eheschließende/r zum Zeitpunkt der Eheschließung das 16., aber nicht das 18. Lebensjahr vollendet hatte.

Strafrechtliche Beurteilung der Zwangsverheiratung

Zwangsverheiratung ist in fast allen Ländern der Welt verboten. In Deutschland gibt es seit dem 01.07.2011 einen eigenständigen Straftatbestand „Zwangsheirat“ (§ 237 Strafgesetzbuch). Derjenige, der eine andere Person zur Eingehung einer Ehe nötigt, wird mit einer Freiheitsstrafe zwischen 6 Monaten und 5 Jahren bestraft. Die Täter einer Zwangsverheiratung sind in der Regel die Eltern oder auch andere Familienangehörige. Das Opfer einer Zwangsverheiratung macht sich natürlich nicht strafbar.

Ausländerrechtliche Folgen einer Zwangsverheiratung im Ausland

Werden junge ausländische Mädchen oder Frauen im Ausland zwangsverheiratet, bestand früher die Gefahr, dass sie ihren deutschen Aufenthaltstitel verloren, wenn sie gegen ihren Willen von der Rückkehr nach Deutschland abgehalten wurden und daher nicht innerhalb von 6 Monaten nach der Ausreise wieder nach Deutschland einreisen konnten. Durch das am 01.07.2011 in Kraft getretene Gesetz zur Bekämpfung von Zwangsheirat und zum besseren Schutz der Opfer von Zwangsheirat sowie zur Änderung weiterer aufenthalts- und asylrechtlicher Vorschriften wurde die aufenthaltsrechtlichen Situation solcher Opfer entscheidend verbessert. Insbesondere wurde bei stark vorintegrierten Opfern die Fortgeltungsdauer eines bestehenden Aufenthaltstitels auf zehn Jahre verlängert (§ 51 Abs. 4 Satz 2 Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet).

Was tun, wenn Zwangsverheiratung droht?

Wenn Sie sich unsicher sind, welche rechtlichen Möglichkeiten, wie insbesondere eine vorübergehende Unterbringung, es bei drohender Zwangsverheiratung gibt, können Sie sich kostenlos persönlich oder telefonisch bei einer Fachberatungsstelle in Bayern oder auch online sowie durch die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Polizei beraten lassen.

In Bayern stehen zudem für junge Frauen und Mädchen im Alter von 18 bis 21 Jahren, die von einer Zwangsverheiratung bedroht oder betroffen sind und deshalb von zu Hause fliehen müssen, Krisenplätze für eine sichere Unterbringung zur Verfügung. Die anonyme Schutzeinrichtung „Scheherazade“ bietet rund um die Uhr Zuflucht, Krisenintervention und umfassende psychosoziale Beratung.

Schülerinnen und Schüler können sich an ihre Lehrerinnen und Lehrer oder Vertrauenslehrerinnen und Vertrauenslehrer wenden. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Jugendämter vor Ort sind ebenfalls geeignete Ansprechpartner und Ansprechpartnerinnen. Sollten Sie sich im Ausland befinden, können Sie ebenfalls eine Beratungsstelle in Deutschland kontaktieren oder die nächste deutsche Auslandsvertretung (Konsulat oder Botschaft) vor Ort oder das Auswärtige Amt in Berlin benachrichtigen. Bei der deutschen Auslandsvertretung vor Ort, die versuchen wird, so schnell wie möglich die Rückkehr zu organisieren, besteht im Einzelfall auch die Möglichkeit, Geld für ein Rückflugticket nach Deutschland zu leihen oder einen Notfallpass ausstellen zu lassen.

Hier kommen Sie direkt zu allen genannten Anlaufstellen: