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Interdisziplinäre Kinderschutzarbeit
Kinderschutz braucht starke Netze!
Interdisziplinäre bzw. intersektorale Zusammenarbeit im Bereich des Kinderschutzes findet in einem sensiblen Spannungsverhältnis von Prävention und Intervention statt. Im Einzelfall sind schwierige und sensible Abwägungsprozesse erforderlich, die neben entsprechender Qualifizierung und Sensibilisierung insbesondere auch ein reibungsloses und systemübergreifendes Schnittstellenmanagement notwendig machen.
Kinderschutz setzt eine „Kultur des Hinsehens“ voraus. Jeder trägt Verantwortung dafür, dass Kinder und Jugendliche gewaltfrei aufwachsen und sich bestmöglich entwickeln und entfalten können. Ebenso wichtig ist eine „Kultur des Miteinanders“: Die Kinder- und Jugendhilfe ist zur bestmöglichen Erfüllung ihrer Aufgaben auf die Unterstützung anderer Leistungssysteme angewiesen, vor allem des Gesundheitsbereichs, der Behindertenhilfe, der Schule, der Polizei und der Justiz.
Bei gleichzeitigem Rückgang familiärer Netze (z. B. Großfamilie) steigen die Anforderungen an die Erziehungskompetenz von Eltern, familiäre und soziale Konfliktlagen, psychische Probleme, Druck aus dem Arbeitsalltag etc. Es ist deshalb eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, deutlich zu machen, dass es kein Versagen, sondern etwas Selbstverständliches darstellt, wenn Hilfe von professionellen Fachkräften (wie z. B. in Jugendämtern oder Erziehungsberatungsstellen) angenommen wird.
Jugendhilfe und Gesundheitsbereich
Berufe aus dem Gesundheitsbereich haben üblicherweise vor allen anderen Institutionen und Professionen Kontakt zu Eltern und ihren Kindern. Diesen Zugang gilt es frühzeitig zur bestmöglichen Förderung einer guten und gesunden Entwicklung der Kinder und Jugendlichen sowie zur rechtzeitigen Beseitigung etwaiger Risikofaktoren für das Kindeswohl zu nutzen (insb. Art. 14 Gesundheitsdienst- und Verbraucherschutzgesetz).
Um für Ärztinnen und Ärzte Handlungssicherheit im Umgang mit möglichen Kindeswohlgefährdungen, aber auch festgestellten Unterstützungsbedarfen zu schaffen, wurde der Leitfaden „Gewalt gegen Kinder und Jugendliche – Erkennen und Handeln“ gemeinsam mit Expertinnen und Experten aus dem Gesundheits- und Jugendhilfebereich erstellt.
Mit Unterstützung und Förderung des Sozialministeriums wurde zudem beim Institut für Rechtsmedizin der Ludwig-Maximilians-Universität München eine bundesweit einzigartige Kinderschutzambulanz eingerichtet, um insbesondere Fachkräften der Jugendämter und Ärztinnen und Ärzten eine fundierte Beratung bei Verdacht auf Kindesmisshandlung zu ermöglichen sowie Handlungssicherheit im Umgang mit möglichen Kindeswohlgefährdungen zu schaffen.
Um den Kinderschutz in Bayern und entsprechende Empfehlungen weiterzuentwickeln, finden in Bayern regelmäßig interdisziplinäre Fachtage sowie ein regelmäßiger Austausch von Gesundheitswesen und Jugendhilfe mit den relevanten Partnern auf Landesebene statt.
Um die Themenbereiche Psychische Erkrankung und Hilfsangebote der Kinder- und Jugendhilfe (Jugendamt und Träger der freien Jugendhilfe) zu enttabuisieren sowie für das Annehmen von Hilfsangeboten zu werben, veranstalteten das Familienministerium und das Gesundheitsministerium am 24.11.2016 den gemeinsamen Fachtag „Kinder von Eltern mit einer psychischen Erkrankung“. Neben Fachvorträgen wurden bei der Veranstaltung Beispiele für die gelungene intersektorale Zusammenarbeit (insbes. von psychiatrischen Einrichtungen und den KoKis) vorgestellt, Empfehlungen wurden weiterentwickelt und weitergegeben. Die Teilnahme beider Staatsministerinnen hat gezeigt, wie wichtig es ist, bei dieser Thematik an einem Strang zu ziehen. Ist ein Elternteil psychisch erkrankt, betrifft dies die ganze Familie. Gerade Kinder fühlen sich oft verantwortlich. Deshalb brauchen Kinder in diesen Situationen besondere Aufmerksamkeit und Unterstützung. In dieser Situation ist die ganzheitliche Unterstützung von besonderer Bedeutung. Um Belastungssituationen für die betroffenen Familien und Kinder zu erkennen, ist die Kinder- und Jugendhilfe auf die Erwachsenenpsychiatrie angewiesen. Diese wiederum braucht Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe, um passende Hilfen für die Kinder anbieten zu können. Ein weiterer landesweiter gemeinsamer Fachtag ist für 2018 geplant.
Jugendhilfe und Schule
Die verbindliche Zusammenarbeit von Jugendhilfe und Schule ist in § 81 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII) und Art. 31 und 80 Bayerisches Gesetz über das Erziehungs- und Unterrichtswesen (BayEUG) geregelt. Die Chancen und Potenziale dieser Kooperation bestehen über die Bereiche Jugendarbeit und Jugendsozialarbeit (Jugendsozialarbeit an Schulen) hinaus, auch für den Bereich des Kinderschutzes, denn oft sind es Lehrerinnen oder Lehrer, die zuerst von Belastungs- oder Risikofaktoren in Familien erfahren.
In Bayern wird die bundesweite Initiative „Trau dich!“ zur Prävention des sexuellen Kindesmissbrauchs des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) und der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) gemeinsam mit Schulen, Jugendämtern und Fachberatungsstellen umgesetzt. Bis Ende 2017 erreichte die Initiative rund 10.000 Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufen 3 und 4 der bayerischen Grundschulen. Aufgrund der weiterhin hohen Nachfrage erarbeitet das Bayerische Familienministerium derzeit gemeinsam mit dem Bayerischen Kultusministerium in Abstimmung mit der BZgA ein bayernspezifisches Konzept zur Fortführung und nachhaltigen Implementierung der Initiative „Trau dich!“ in Bayern.
Im Herbst 2017 startete in Bayern die Bundesinitiative „Schule gegen sexuelle Gewalt“. Ziel ist es, alle Schulen bei der Entwicklung von Konzepten zum Schutz der Kinder und Jugendlichen vor sexueller Gewalt zu unterstützen.