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Was ist häusliche Gewalt?

Häusliche Gewalt in Familie und Partnerschaft ist kein Einzelschicksal. Sie existiert in allen gesellschaftlichen Schichten – leider oft unerkannt. Nach einer Studie des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend aus dem Jahr 2004 hat mindestens jede vierte Frau im Alter von 16 bis 85 Jahren körperliche (23 %) oder – zum Teil zusätzlich – sexuelle (7 %) Übergriffe durch einen Beziehungspartner ein- oder mehrmals erlebt. Auch eine Anfang März 2014 von der Europäischen Grundrechteagentur (FRA) vorgelegte repräsentative Studie zum Ausmaß von Gewalt gegen Frauen in Europa hat diese Zahlen bestätigt: Danach hat fast jede vierte Frau (Europa und Deutschland: jeweils 22 %) seit dem 15. Lebensjahr körperliche und/oder sexuelle Gewalt durch einen Partner erfahren. Die Formen der Gewalt sind vielfältig: Neben körperlicher Gewalt zählt hierzu jede Form von sexualisierter Gewalt sowie psychische Gewalt etwa in Form von Demütigungen und Drohungen sowie Psycho-Terror. In den letzten Jahren suchten jährlich etwa 1.700 Frauen in Bayern mit mehr als 1.700 Kindern Zuflucht in einem Frauenhaus. Daneben gibt es weitere Beratungseinrichtungen, die allen Frauen und ihren Kindern offen stehen, die Opfer häuslicher Gewalt werden.

Hier finden Sie mehr Informationen zum Thema häusliche Gewalt:

Studie zum Bedarf von Hilfe für gewaltbetroffene Frauen 

Eine vom Bayerischen Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales (StMAS) beim Institut für empirische Soziologie an der Universität Erlangen-Nürnberg (IfeS) in Auftrag gegebene „Studie zur Bedarfsermittlung zum Hilfesystem für gewaltbetroffene Frauen und ihre Kinder in Bayern“ befasst sich mit der Bedarfslage im Unterstützungssystem für gewaltbetroffene Frauen und ihre Kinder ausschließlich in Bayern.

Im Rahmen der Studie wurden insbesondere Daten aus bundes- und europaweiten Gewaltprävalenzstudien speziell für Bayern hochgerechnet, das gesamte Hilfesystem in Bayern detailliert zur aktuellen Situation und zu Hilfebedarfen befragt und die Ergebnisse dann in vertiefenden Interviews und Planungstreffen an ausgewählten Standorten beleuchtet. Die Ergebnisse und Handlungsempfehlungen dieser Studie analysiert das StMAS gemeinsam mit Vertreterinnen und Vertretern der bayerischen Landkreise und Städte, die für die Planung und Bereitstellung des Unterstützungssystems im Rahmen der Daseinsvorsorge in allererster Linie zuständig sind, sowie mit den anderen betroffenen bayerischen Staatsministerien derzeit in einer Arbeitsgruppe.

Ziel ist die Erstellung eines Bayerischen Gesamtkonzepts zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen, das alle Präventions- und Interventionssysteme für gewaltbetroffene Frauen und ihre Kinder in Bayern umfasst und Empfehlungen für kurz-, mittel- und langfristige Maßnahmen enthält.

Gewalt gegen Männer

Häusliche Gewalt betrifft nicht nur Frauen: Eine erste Pilotstudie des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend aus dem Jahr 2006 zeigt, dass insbesondere junge Männer zwischen 18 und Mitte 20 häufiger als bisher angenommen Opfer von Gewalt werden. Körperliche Gewalt gegen Männer findet hauptsächlich in der Öffentlichkeit oder Freizeit statt, während Männer psychische Gewalt überwiegend im Arbeitsumfeld und innerhalb von Partnerschaften erleben. Das Thema Gewalt gegen Männer ist noch immer sehr schambesetzt und in stärkerem Maße als Gewalt gegen Frauen tabuisiert. Hinzu kommt, dass der Studie zufolge Männer bestimmte Gewaltformen teilweise nicht als Gewalt, sondern als „Normalität“ wahrnehmen. Die nicht repräsentative Pilotstudie kommt zu dem Ergebnis, dass weitere Forschungen notwendig sind, um die Häufigkeit und das Vorkommen insbesondere von schwerer und tabuisierter Gewalt zu erfassen und ein kompetentes Hilfesystem aufzubauen.

Gewalt gegen Kinder

Kinder sind von häuslicher Gewalt immer mitbetroffen, auch wenn sie nicht unmittelbar Opfer von Gewalttaten werden. Sie müssen oft über lange Zeit hinweg mit ansehen, wie ein Elternteil misshandelt wird. Dies führt meist zu schwerwiegenden seelischen Belastungen. Neben Hilflosigkeit und Angst leiden viele Kinder unter Schuldgefühlen, sei es, weil sie die geliebte Person nicht schützen können, sei es, weil sie sich selbst Verantwortung für das Geschehen zuschreiben. Häufig sind Mädchen, die sich mit der misshandelten Mutter identifizieren, später gefährdet, selbst Opfer von Partnergewalt zu werden. Jungen, die in ihrer Familie Gewalt als Konfliktlösungsmuster kennengelernt haben, laufen Gefahr, später selbst Gewalt als Druckmittel zur Durchsetzung ihrer Bedürfnisse einzusetzen.

Häusliche Gewalt ist kein Kavaliersdelikt und keine Privatangelegenheit! Es gibt auch keine harmlose Gewalt. Jede Form der Gewalt ist unentschuldbar und nicht zu rechtfertigen.

Schauen Sie nicht weg, wenn Sie Zeuge häuslicher Gewalt werden. Wenn Sie sich – als Betroffener oder als Zeuge – erst einmal über Beratungsangebote oder Rechtsschutzmöglichkeiten informieren wollen, wenden Sie sich an eine Beratungsstelle, die Polizei oder das Jugendamt.

Soweit Kinder betroffen sind, finden Sie hier weitere Hilfsangebote.

Welche rechtlichen Möglichkeiten habe ich?

Viele Menschen wissen es gar nicht: Häusliche Gewalt ist auch dann strafbar, wenn sie zwischen Partnern oder Ehegatten erfolgt. Entscheidend für die Strafbarkeit ist nicht der Tatort der Gewaltdelikte. Die am häufigsten begangenen Delikte im Bereich häuslicher Gewalt sind: Beleidigung, Nötigung, einfache und gefährliche Körperverletzung, sexuelle Nötigung, Vergewaltigung. Mit einer Anzeige bei jeder Polizeidienststelle oder Staatsanwaltschaft wird ein Strafverfahren eingeleitet. Sind Sie unsicher, ob Sie Anzeige erstatten sollen, können Sie sich zunächst unverbindlich beraten lassen. Daneben gibt es zivilrechtliche Rechtsschutzmöglichkeiten nach dem Gewaltschutzgesetz, wie etwa die (befristete) Verweisung des Täters aus der gemeinsamen Wohnung.

Hier finden Sie weitere Informationen und Adressen:

Muss ich im Strafverfahren als Opfer eine Aussage vor Gericht machen?

Grundsätzlich ist auch das Opfer zu einer Aussage im Rahmen des Strafverfahrens verpflichtet. Um das Strafverfahren zügig durchzuführen und um die Chancen einer Verurteilung zu erhöhen, müssen der Tathergang und die Hintergründe möglichst beweiskräftig dokumentiert werden.

Das Opfer kann sich von Zeugenbetreuungsstellen vor und nach der Vernehmung betreuen lassen. Informationen zu den Rechten und Pflichten eines Zeugen finden Sie außerdem in der Broschüre „Als Zeuge vor Gericht“, die Sie als PDF-Dokument online lesen können.

Steht dem Opfer ein Zeugnisverweigerungsrecht zu, über das es zu Beginn der Vernehmung zu belehren ist, kann es seine Aussage verweigern. Zeugnisverweigerungsrechte haben z. B. Verlobte, Ehegatten, nähere Verwandte. Eine bereits gemachte Aussage darf nicht verwertet werden, wenn sich das Opfer später auf sein Zeugnisverweigerungsrecht beruft, es sei denn, die Aussage wurde nicht bei der Polizei, sondern vor dem Ermittlungsrichter gemacht.

Wie werde ich vor weiterer Gewalt geschützt?    

Das Gewaltschutzgesetz

Das Bundesministerium der Justiz informiert über das Gesetz zum zivilrechtlichen Schutz vor Gewalttaten und Nachstellungen.

Hier kommen Sie zum Gewaltschutzgesetz.

Mit dem Gewaltschutzgesetz, das seit 01.01.2002 in Kraft ist, wurden die zivilrechtlichen Rechtsschutzmöglichkeiten der Opfer häuslicher Gewalt deutlich verbessert und Täter verstärkt zur Verantwortung gezogen.

Opfer können

  • gerichtliche Maßnahmen zum Schutz vor Gewalt und Nachstellungen und
  • die Überlassung einer ehelichen oder gemeinsam genutzten Wohnung

bei Gericht beantragen. 

Das Gesetz gilt für eheliche und nicht-eheliche sowie für sonstige Lebensgemeinschaften; es gilt gleichermaßen für weibliche und männliche Opfer häuslicher Gewalt. Zudem gilt das Gesetz im Verhältnis eines gewalttätigen Kindes zu seinen Eltern.

Notwendige Schutzmaßnahmen vor Gewalt und Nachstellungen kann das Gericht auf Antrag anordnen, wenn das Opfer von seiner Partnerin oder seinem Partner, Ehegatten oder Kind misshandelt wurde oder von Misshandlung bedroht ist sowie, wenn dem Opfer nachgestellt wird. Diese Schutzanordnungen sollen befristet werden. Das Gericht kann der Täterin oder dem Täter insbesondere verbieten:

  • die Wohnung des Opfers zu betreten,
  • sich in einem bestimmten Umkreis der Wohnung des Opfers aufzuhalten,
  • bestimmte Orte aufzusuchen, an denen sich das Opfer regelmäßig aufhält (z. B. Arbeitsplatz, Kindergarten, Schule etc.),
  • Kontakt zum Opfer aufzunehmen, sowohl telefonisch als auch per E-Mail, Fax, SMS etc.,
  • Zusammentreffen mit dem Opfer herbeizuführen.

Der Verstoß gegen eine gerichtliche Schutzanordnung ist strafbar.

Wie funktioniert die Überlassung der ehelichen/gemeinschaftlich genutzten Wohnung?

Für die Zuweisung einer ehelichen oder einer gemeinschaftlich genutzten Wohnung wurden die Voraussetzungen erleichtert.

  • Auf Antrag wird das Amtsgericht – Familiengericht – eine Wohnungsüberlassung bei Trennung vom Ehegatten / von der Ehegattin aussprechen, wenn dies notwendig ist, um eine „unbillige Härte“ zu vermeiden. Wichtigster Fall der unbilligen Härte ist Gewalt eines Ehegatten gegenüber dem anderen.
  • Wird das Opfer vom Partner oder der Partnerin misshandelt oder bedroht, kann es die Überlassung der gemeinsam genutzten Wohnung beantragen. Ist der Täter oder die Täterin (Mit-)Eigentümer oder (Mit-)Mieter, so ist die Wohnungsüberlassung zu befristen.

Wo kann ich die Anträge stellen?

Beim Amtsgericht können Schutzanordnungen und/oder die Überlassung der Wohnung persönlich oder über eine Anwältin/einen Anwalt beantragt werden. Persönliche Anträge nimmt die Rechtsantragsstelle des Amtsgerichts auf.

Im örtlichen Telefonbuch oder im Portal der Justiz Bayern finden Sie die Adressen der Amtsgerichte.

In akuten Fällen häuslicher Gewalt hat die Polizei – unabhängig von einer Strafanzeige und noch vor einem Antrag beim Amtsgericht nach dem Gewaltschutzgesetz – folgende Möglichkeiten:

  • sie kann den Täter oder die Täterin für eine bestimmte Zeit aus der Wohnung verweisen (Platzverweis),
  • den Täter oder die Täterin in Gewahrsam nehmen (Ingewahrsamnahme)
  • sowie zusätzliche Maßnahmen zum Schutz des Opfers anordnen (beispielsweise ein Kontaktverbot). 

Die polizeilichen Maßnahmen sind nur für einige Tage zulässig und sollen die Zeit überbrücken, in der die Frau oder der Mann entweder weitere Maßnahmen nach dem Gewaltschutzgesetz bei Gericht beantragt, sich eine andere Wohnung gesucht oder in einem Frauenhaus Schutz gefunden hat.