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Fachstelle zur Prävention von religiös begründetem Extremismus – ufuq.de Bayern

Aktion gegen Verschwörungsmythen

Logo Fachstelle Ufuq

Seit 2015 gibt es in Bayern die zivilgesellschaftliche Fachstelle zur Prävention religiös begründeter Radikalisierung. Die Fachstelle gehört zum Berliner Verein ufuq.de (arabisch für: Horizont oder Perspektive) und bietet bayernweit pädagogischen Fachkräften, Einrichtungen und weiteren Multiplikatorinnen und Multiplikatoren Beratung und Fortbildung in den Themenfeldern Islam, Islamismus, Salafismus und Islamfeindlichkeit sowie zu Ansätzen der pädagogischen Präventionsarbeit an. Ergänzend bietet die Fachstelle im Regierungsbezirk Schwaben, den Städten Nürnberg und Regensburg sowie in Stadt und Landkreis Würzburg auch Workshops mit jungen „Teamenden“ für die Arbeit in Schulen mit Jugendlichen an. Themenfelder der Workshops sind unter anderem Islam und Demokratie, Salafismus, Islamfeindlichkeit, Geschlechterrollen und digitale Medien. Ufuq e.V. ist ein anerkannter Träger der freien Jugendhilfe.

 

Verschwörungsmythen in der Präventionsarbeit

In der Präventionsarbeit gegen Radikalisierung spielen Verschwörungsmythen eine zunehmend wichtige Rolle. Sie können für Menschen attraktiv und funktional wirken, indem sie wichtige psychische Grundmotive wie Wünsche nach Struktur, Erklärung oder Kontrolle angesichts einer immer komplexer werdenden Welt erfüllen. Eine Neigung zu Verschwörungsmythen kann durch Faktoren wie Existenzunsicherheit, Erleben von Ohnmacht und Hilflosigkeit, geringes Selbstwertgefühl oder soziale Isolation begünstigt werden, da diese Ordnung, Gruppenzugehörigkeit und die Möglichkeit zu aufwertender Selbstinszenierung versprechen.

Damit können Verschwörungsmythen auch zur Grundlage extremistischer Ideologien werden, die Feindbilder konstruieren und diffuse Frustrationen von Menschen auf ein konkretes Ziel lenken. Die Vereinfachung der Welt auf Gut und Böse, idealisiert die eigene Seite als „Retter“ der Gesellschaft, was bis zur Legitimation von Gewalt als „Selbstverteidigung“ reichen kann. Auf diese Weise profitieren z.B. islamistische und rechtsextremistische Gruppen von der Anziehungskraft solcher Konstrukte.

Verschwörungsmythen in der pädagogischen Jugendarbeit

Zur Sensibilisierung für Verschwörungsmythen bietet die Fachstelle nun den Workshop „Verschwörung, oder was?!“ für Jugendliche an. Ziel des Workshops ist es, die Jugendlichen für ein demokratisches Miteinander zu stärken, sie für die Unterscheidung von verschwörungskritischem Denken und demokratischer Kritik zu sensibilisieren, die eigene Handlungsfähigkeit und -orientierung zu fördern und somit Polarisierungs- und Ideologisierungsprozessen vorzubeugen. Aus ihrer langen Erfahrung in der Arbeit mit Jugendlichen verfolgt die Fachstelle einen präventiv-pädagogischen Ansatz: Jugendliche erhalten Raum für das Gespräch zu Themen, die sie gerade bewegen und lernen Möglichkeiten kennen zur Erfahrung von Selbstwirksamkeit und demokratischer Handlungsfähigkeit.

Ablauf und Lernziele des Workshops

  • Hinführung „Was verbindest du mit Verschwörungstheorien?“
    • Die Jugendlichen werden in ihren Lebenswelten und mit ihren Vorerfahrungen „abgeholt“. Es werden keine Verschwörungsmythen vorgestellt (und damit reproduziert), die in der Klasse nicht bereits bekannt wären. Den Gesprächsraum füllen die Themen der Jugendlichen.
       
  • Was sind Verschwörungstheorien?
    • In diesem Part geht es darum, das Phänomen besser zu verstehen und einordnen zu können. Dabei wird am Wissensstand der Jugendlichen angeknüpft, ihr Wissen ergänzt und ihre Kritikfähigkeit gestärkt.
    • Wichtige Fragestellungen sind: „Was sind die Merkmale von Verschwörungstheorien?“ „Ist das jetzt alles neu oder gab es das schon vorher?“ „Begriffswirrwarr: Verschwörung? Verschwörungstheorie/-mythe/-ideologie/-erzählung…?“ „Was ist berechtigte und demokratisch notwendige Kritik und was nicht?“ „Welche Rolle spielen bestimmte Personengruppen?“ „Können Verschwörungsmythen widerlegt werden? Ist das erforderlich?“ „Müssen alle Verschwörungstheorien bekannt sein, um mit dem Thema gut umgehen zu können?“
      Wissen, das vermittelt werden soll, ist z. B., dass eine Verschwörungstheorie/-mythe eigentlich nicht widerlegt werden kann und auch nicht muss. Entsprechend ist der wissenschaftliche Begriff „Theorie“ nicht passend.
       
  • Was erlebt ihr im Alltag? Wie geht’s euch mit der (Corona-)Lage? Kennt ihr Positionen zu Corona, die möglicherweise von Verschwörungsdenken geprägt sind?
    • Selbstreflexion und die Einbeziehung der eigenen Lebenswelt wird durch den Austausch über das alltägliche Erleben in vertrauten dreier Gruppen ermöglicht.
       
  • Rollenspiel: „Oh was für eine Welt“
  • Wie gehe ich mit Verschwörungstheoretikerinnen und Verschwörungstheoretikern um?
    • Aufbauend auf dem Rollenspiel wird gemeinsam nach Anregungen und Tipps im Umgang mit Positionen gesucht, die von Verschwörungsdenken geprägt sind.
    • Eine grundlegende Botschaft für den Umgang mit verschwörungstheoretischen Aussagen ist es, mit der Person in Kontakt zu bleiben, die solche Positionen bezieht, zugleich aber auszudrücken, dass man in der Sache anderer Ansicht ist.
      Die Jugendlichen werden dafür sensibilisiert, dass dies je nach Situation, Gruppendynamik, Beziehung, eigener Kapazität und eigenen Zielen unterschiedlich aussehen kann. Zudem werden psychologische Grundlagen angesprochen. Beispielsweise kann Schweigen als Zustimmung gewertet werden andererseits können hitzige Diskussionen über Fakten zur Erhärtung eines verschwörungstheoretischen Weltbilds führen.
    • Zur eigenen Handlungsorientierung lernen die Jugendlichen Aussagen und Herangehensweisen für unterschiedliche Situationen kennen (z. B. „Du bist mir wichtig, aber ich sehe das anders“). Zudem werden sie ermutigt, diese an ihren eigenen Sprachgebrauch und ihre eigenen Kompetenzen anzupassen.
      Auf diese Weise können die Handlungsfähigkeit der Jugendlichen, ihre Selbstwirksamkeit und ihre demokratischen Kompetenzen in der Auseinandersetzung gestärkt werden.